von Ute Pannen
Meine Bilder des Jahres 2007 liefen nicht über die Fernsehmattscheibe und waren nicht auf der Titelseite der Tageszeitungen, sondern in der Berliner Friedrichstraße in einem der teuersten Schaufenster des Quartiers 205. Sie zeigten die Namen von Donna Karan, Chloé und Lanvin auf Jutesäcke gedruckt und über die Köpfe von Schaufensterpuppen gestülpt, ganz in der Art, wie die über eine Handykamera fotografierten Folterbilder aus dem Irak, die 2004 bekannt wurden.
Noch im Januar 2007 zeigte die Akademie der Künste in Berlin die Foto-Arbeit "Star Gazing" des in New York lebenden Künstlers Hans Haacke. Haacke der für seine gesellschaftskritischen Arbeiten bekannt ist, stellte in seiner Werkschau unter anderm dieses Foto aus. Es zeigt eine Person in rotem T-Shirt mit einem blauen Sack über den Kopf gestülpt, der wie die amerikanische Flagge mit weißen Sternen bedruckt ist. Haackes ikonografischer Bezug zu den Kapuzen-Folterbildern ist ein wohl überlegter Schachzug und eine gezielt eingesetzte Spitze gegen die amerikanische Außenpolitik.
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Die im August 2007 im Berliner "Departmentstore" das Schaufenster "dekorierenden" Säcke wecken die Frage, ob hinter dieser Art der Werbung Verantwortungsgefühl für Weltpolitik steht oder das Leid anderer Menschen benutzt wird, um den Umsatz zu steigern? Welche Message sollten sie uns auch auf den Weg geben? Etwa: "Donna Karan klagt die Menschenrechtssituation im Irak an" ? Oder: Lanvin provoziert mit politischer Werbekampagne"?" Oder Vielleicht: Chloé erlaubt sich einen witzigen Kommentar mittels bekannter Schlagbilder aus den Medien."
Als Anfang der 90er Jahre die Firma Benetton wegen ihrer Kampagne mit einem Aidskranken dem Vorwurf ausgesetzt war, die Würde leidender Menschen zu niederen Zwecken zu missbrauchen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber. Die Richter urteilten gegen Benetton: "Wer Gefühle des Mitleids in so intensiver Weise wie in den beanstandeten Anzeigen zu kommerziellen Zwecken ausnutzt, handelt wettbewerbswidrig." (AZ.: I ZR 110). Der BGH folgte dem Spruch des Landgerichts Frankfurt/Main, wonach die Schockwerbung nicht mehr plakatiert und gedruckt werden darf.“ Dennoch hatte die Benetton-Kampagne auch einen aufklärerischen Aspekt, der die HIV-Infektion ein Stück weit enttabuisierte.
Die Donna Karan-Jutesäcke haben keine aufkärende oder wachrüttelnde Funktion. Sie verweisen ikonographisch auf verletzte Menschenwürde, die hier wie damals von Benetton, zu niederen, kommerziellen Zwecken Mißbraucht wird.
Die Verbindung von Mode und politischen Themen kann allerdings auch gelingen. Die Kölner Designerin Eva Gronbach reagierte 2006/2007 mit ihrer Kollektion "sacrosanct" /"unantastbar" auf die menschenunwürdige Behandlung der Gefangenen von Guantanamo. Sie entwarf Mode, die mit ihren vorwiegend orangefarbenen Stücken an die Häftlingskleidung der Insassen erinnert. Eva Gronbach kommentiert dieses ikonografische Zitat, indem sie Auszüge aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auf diese T-shirts druckt. Von diesem reflexiven Moment ist das Berliner Schaufenster weit entfernt, hier werden Schlagbilder der Medien benutzt, um Aufmerksamkeit zu erheischen.
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