von Hannes Richter
Wer Columbus, die Hauptstadt Ohios besucht, hat dafür meist einen guten Grund. Die bedeutende Universitätsstadt beherbergt den Hauptcampus der Ohio State University, eine der größten und angesehensten öffentlichen Universitäten der Vereinigten Staaten. Reich an touristischen Attraktion ist Columbus aber nicht. Da gibt es etwa das State Capitol zu betrachten, oder auch einen hübschen Zoo. Und das German Village, de facto ein Stadtteil. Was in seiner italienischen Ausprägung andernortens Little Italy heißt, ist hier eine Enklave eines amerikanisch-stereotypen Bilderbuch-Deutschlands. Ruhige Straßen mit Kopfsteinpflaster führen vorbei an hübschen Backsteinhäuschen, deren Bewohner meist tatsächlich deutscher Herkunft sind. Es gibt deutsche Restaurants und Geschäfte. Auch findet der, der sucht, den einen Tante-Emma Laden mit hervorragender Auswahl deutscher Braukunst und Wurstwaren und wird dort von einer freundlichen, älteren Dame in ihrer deutschen Muttersprache bedient. Seit über 60 Jahren wohne sie in Columbus, Deutsche sei sie aber im Herzen geblieben.
Diese Kulisse wählte der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain für seinen Besuch in Columbus just an jenem Tag, an dem sein Kontrahent Barak Obama seine vielerwartete Rede vor der Siegessäule in Berlin vor 200.000 Zuschauern hielt. In Columbus spricht John McCain derweilen in „Schmidt's Sausage Haus und Restaurant” vor einigen wenigen Kleinunternehmern aus der Gegend. Es scheint, als habe McCains Wahlkampfteam den Ort bewusst gewählt, um ihn als Antithese zu Barak Obamas staatsmännischer Inszenierung zu positionieren. Eine nähere Betrachtung von McCains Wahlkampfkalender schließt eine lange, gefinkelte Planung allerdings aus: er sollte eigentlich in Louisiana sein, was aufgrund drohender Hurricanes abgesagt werden musste.
Der Republikaner führt in Umfragen bei außen- und sicherheitspolitischen Themen recht deutlich vor Obama, was ebendiesen zu seiner Auslandsreise bewegte, um sein Profil zu diesem Themenkomplex beim amerikanischen Wahlpublikum zu schärfen. Ob dies gelingt, werden zukünftige Erhebungen bald weisen, der mediale Glanz ist ihm dieser Tage jedenfalls sicher.
Aber es gibt auch Kritik an Obamas präsidentiellen Auftritten ohne Präsident zu sein, wie auch im Vorfeld seines Berlin-Besuches klar wurde. So wurde vom quintessentiellen Berliner Motiv, dem Brandenburger Tor, Abstand genommen; dieses sei für offizielle Würdenträger reserviert und stehe für einen amerikanischen Wahlkämpfer wohl nicht zur Verfügung, soweit zumindest der Tenor in konservativen politischen Kreisen Deutschlands und freundlich artikuliert durch Bundeskanzlerin Merkel. Obamas Team nahm es gelassen, schließlich will man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Zu tun als sei man bereits Präsident könnte auch im Heimatland einigen sauer aufstoßen. Wären Deutsche in den USA wahlberechtigt, so hätte Barack Obama sich heute wohl tausende Stimmen gesichert; so bleibt ihm die Hoffnung auf die erwünschte Wirkung der Bilder zu Hause. John McCain sicherte sich jedenfalls eine Hand voll amerikanischer Stimmen im kleinen Deutschland mitten in Ohio. Angesprochen auf seinen Mitbewerber für das höchste Amt meinte er, er würde sehr gerne eine Rede in Deutschland halten. Dann aber doch lieber als Präsident
wunderbare metapherwahl!
Kommentiert von: Barbara | 28. Juli 08 um 10:33 Uhr