von Ute Pannen
Die Stimmung im Obama Headquarter in Dayton Ohio ist gut. Um die 30 Rentnerinnen und junge Leute sind als Freiwillige am Telefon. Zwischendurch wird geflachst: „Hey I like your sun glasses.“ „Year, it’s the Future – it’ so brigth.“ Hoffnung ist überall, selbst auf dem Kühlschrank und im Fenster erinnert ein Kürbis an Halloween. „Change you can believe in“ ist eingeschnitzt.
Die Stimmung in Dayton downtown, draußen auf der Straße, ist eine andere, es nieselt und die prachtvollen Art Deco Hochhäuser zeugen von besseren Zeiten, die diese Stadt einmal erlebt hat. Viele Geschäfte stehen leer. Ein ehemaliges Restaurant wird als Parkhaus genutzt und die einzigen Geschäfte weit und breit sind Outlets mit Billigangeboten.
Die Freiwilligen im Wahlkampfbüro kommen zum Teil aus der Stadt, aber es sind auch einige aus Kalifornien und Texas und New York dabei. Am Empfang steht neben der Sekretärin Barack Obama, lebensgroß und aus Pappe. Ich melde mich an, um Hausbesuche zu machen, das sogenannte canvassing. Greg, der Community Organizer findet das super, drückt mir einen Gesprächsleitfaden und einen Stadtpan mit 50 Adressen in die Hand und sagt: „Great, go for it.“ Fünf Minuten später stehe ich auf der Straße und suche 117 E 2nd Street, meine erste Adresse.
Es dauert ewig bis sich jemand auf mein Klopfen meldet, dann öffnet ein etwa 40-jähriger Mann, an seinem linken Bein trägt er eine Prothese bis übers Knie, die Wohnung ist vollkommen verdunkelt und mir schlägt ein alkoholisierter Atem entgegen: „Ja, ich will Barack Obama wählen.“ sagt er. Aber von der Möglichkeit schon vor dem 4. November zu wählen, hat er noch nichts gehört. Ich zeige ihm wo er in den nächsten Tagen seine Stimme abgeben kann, um nicht am Wahltag ewig in der Schlange zu stehen und verabschiede mich. Die Tür geht zu und zwei Gespenster auf dem Halloween Poster schauen mich mit aufgerissenen Mündern an.
Die nächste Adresse ist im gleichen Haus, 4. Stock. Eine schmale Treppe führt nach oben. Aus allen Nachbarwohnungen dröhnt der Fernseher durch die dünnen Wände und überall hört man Werbespots, die mit dem Satz enden „I am Barack Obama and I approve this Message“. Ich klopfe bei Nr. 41 und Mr. Ferndadez öffnet. „Obama Volunteer?“, ich soll doch reinkommen, bittet er und weist zu den beiden Sesseln. Der Fernseher läuft, dahinter liegt eine Matratze sonst nichts. Ja, er möchte Obama wählen, aber um sich als Freiwilliger zu engagieren hat er keine Zeit. Er muss arbeiten und dann abends zu den AA, den Anonymen Alkoholikern. „Aber das wollen sie sicher gar nicht wissen,“ murmelt er.
In den Vororten von Dayton sind die Einfamilienhäuser liebevoll mit Kürbissen dekoriert. Hier und da erinnern Gespenster und Vogelspinnen im Vorgarten an Halloween. Aber zwischen den Obama Werbeschildern hängt auch ab und zu ein „zu verkaufen“ Schild vor zugenagelten Fenstern. In dieser Nachbarschaft ist, niemand zu Hause. Außer zwei alten Damen, sind offenbar alle bei der Arbeit.
Am Ende des Tages habe ich sechs Versprechen zum „Early Voting“ eingeholt, die immer schriftlich abgegeben werden. Zwei der aufgelisteten Häuser stehen leer, zehn Adressen stimmten nicht, andere sind unzugänglich und während Mr. Fernandez sich am meisten um die Wirtschaft und die steigenden Lebensmittelpreise sorgt, ist seiner Nachbarin Gesundheitspolitik am wichtigsten. Außerdem konnte ich in die Statistik eintragen, dass eine Person schon gewählt hat und eine weitere aus meiner Adresskartei verstorben ist. Mit diesen Angaben wird die Abendschicht im Wahlkampfbüro versorgt und wer gerade nicht Telefonanrufe für Obama macht, frischt die Datenbank mit Ergebnissen des Tages auf. Für einen Moment allerdings werden alle Hände gebraucht, denn eine Lieferung Obama-Schilder für den Vorgarten ist eingetroffen. Eine LKW-Ladung wird ins Bürogeschleppt und neben dem Eingang gestapelt. Es ist mittlerweile 20:00 Uhr, aber die Energien sind ungebremst, schließlich ist jetzt die beste Zeit, die Wähler zu Hause anzurufen. Ich melde mich an, um mitzuhelfen, aber es sind schon alle Telefone besetzt. Das Büro summt wie ein Bienenschwarm und ich fahre mit einem guten Gefühl nach Hause. Als ich aus dem Auto steige, sagt mein Taxifahrer: „Ich bin eigentlich Demokrat, aber McCain war in der Air Force, so wie ich. - Ich werde ihn wählen.“
Mehr zum Canvassing in der New York Times